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#16
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Geschichte stellt sich immer ambivalent
dar, im Umgang mit ihren Reminiszenzen lauern Fallen und tun sich Chancen auf – Architektur ist nicht neutral. Hat die rasende Geschwindigkeit des Aufbaus das Land vielleicht auch uberfordert, nicht materiell, wohl aber kulturpsychologisch, wie sich erst heute an den Spatfolgen zeigt? Oder ist der Wunsch nach der Schonheit des Alten ein Zeichen der Sattigung, ein Luxus, den man sich erlaubt, wenn das Lebensnotwendige gesichert scheint? Jahrhundertelang wurde die europaische Kulturlandschaft davon gepragt, dass urbanistische und architektonische Erneuerung in der Regel als ruhiger Fluss, als kontinuierliche Entwicklung ablief. Ausnahmekatastrophen unterbrachen den Prozess, gewiss, aber keine war so total wie der Zweite Weltkrieg. Ohne dieses flachendeckende Desaster und die als Regelwerk darauf folgende, an jeden Ort der Welt verpflanzbare Banalmoderne ist nicht zu verstehen, war - um historische Bausubstanz und malerische Altstadte heute so popular sind. „Zu hohes Veranderungstempo ruft nach Ruckversicherung“, schreibt der Architekturkritiker Wolfgang Pehnt. Und das gilt, trotz aller Leistungen, fur den gesamten deutschen Wiederaufbau seit Mitte der funfziger Jahre. Es ist ja wahrlich nicht alles gelungen in jener chaotischen Aufbauzeit nach 1945, als es zunachst ganz einfach darum ging, den Schutt beiseitezuraumen und den Menschen ein Dach uber dem Kopf zu geben. Es musste ja schnell gehen, mehr improvisiert als durchdacht, die Einzigartigkeit der Not in Deutschland lie? uber viele Fehler hinwegsehen. In den Stadten hungerten die Menschen. Wer einen Quadratmeter Krume im Hinterhof besa?, zog dort Gemuse, Kartoffeln oder Tabak. Parks, Tiergarten und Stadien wandelten sich zu landwirtschaftlichen Nutzflachen. Alles, was irgendwie verwertbar war, kam in den Topf. Hei?begehrt waren Rezepte fur Eichelkaffee, Brennnesselpudding, Lowenzahngemuse oder „Nachtkerzenwurzeln in hollandischer Tunke“, deren Zubereitung die Zeitschrift „Frau von heute“ 1947 verriet. Kinder bekamen den Rat, am Abend die Hande auf den Bauch zu pressen, um so ein Sattigungsgefuhl zu simulieren, und zum Volkssport wurde das „Fringsen“, genannt nach dem Kolner Kardinal Josef Frings, der auch die unkonventionelle Beschaffung von Lebensmitteln verteidigte. Von ehemals 16 Millionen Wohnungen existierten 2,5 Millionen nicht mehr, 4 Millionen waren wegen erheblicher Schaden kaum zu nutzen.
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Снова светит солнце, снова светится душа, и пасмурно не будет больше никогда!!! |