Europa und der deutsche Atom-Ausstieg
Deutschlands Nachbarn und die Energiepolitik
Von Urs Bruderer, Schweizer Radio DRS, Brussel
In Deutschland wirft man Merkel die Kehrtwende in der Atompolitik vor. Dabei ist der unerschutterliche Glaube vieler Staats-Chefs an die Positionspapiere von gestern doch eigentlich viel besorgniserregender. Denn bis Fukushima galt eine Kernschmelze als Restrisiko. Und Restrisiko, das war ein anderes Wort fur: Vergessen Sie's.
Dann kam es zu drei Kernschmelzen aufs Mal. Nach einem solchen Ereignis muss man seine Gewissheiten uberprufen. Doch in Europa wollte das, abgesehen von der Kanzlerin, kaum ein Politiker tun. Der italienische Staats-Chef sagte nur, er werde den geplanten Wiedereinstieg in die Atomkraft jetzt eben um zwei Jahre verschieben. Andere handelten ahnlich, nur weniger offensichtlich. Frankreich sah gar die Stunde der Grande Nation gekommen. Dass man die Atomkraft beherrscht, gehort zum Nationalstolz wie foie gras und die Verse Molieres. Also schickte Paris seine Experten nach Japan und pries die eigenen Meiler als die sichersten der Welt. Und was machte die in Atomkraftfragen machtlose EU-Kommission? Sie half eifrig mit und produzierte ein Beruhigungsmittel namens AKW-Stresstest. Fukushima halt uns auf, da war man sich einig, aber es kann uns nicht vom nuklearen Weg abbringen.